Strömungslehre II

Viskosität
Die Viskosität ist ein Maß für die Zähflüssigkeit eines Fluids. Der Kehrwert der Viskosität ist die Fluidität, ein Maß für die Fließfähigkeit  eines Fluids. Je größer die Viskosität, desto dickflüssiger (weniger fließfähig) ist das Fluid; je niedriger die Viskosität, desto dünnflüssiger (fließfähiger) ist es.
Normalerweise wird mit dem Begriff Viskosität die Viskosität in Scherung verbunden, es ist allerdings auch möglich, die Viskosität in Dehnung zu messen.

    Definition der Viskosität 

Man stelle sich zwei im Abstand x angeordnete Platten der Fläche A vor. Zwischen diesen Platten befindet sich eine Flüssigkeit, die an beiden Platten haftet. In unserer Vorstellung soll der Raum mit der Flüssigkeit in Schichten unterteilt sein. Wird nun Platte 2 mit der Geschwindigkeit v bewegt, so bewegt sich die Schicht in unmittelbarer Nachbarschaft zu Platte 2 auf Grund der Haftung ebenfalls mit der Geschwindigkeit v. Da Platte 1 ruht, ruht auch ihre Nachbarschicht. Die innenliegenden Flüssigkeitsschichten gleiten mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten aneinander vorbei. Die Geschwindigkeit nimmt von der ruhenden Platte zur bewegten zu. Im einfachsten Fall besteht eine lineare Abhängigkeit (siehe Abbildung). Von der obersten, an der Platte haftenden Schicht geht eine Tangentialkraft auf die darunterliegende Schicht aus. Diese bewegt sich folglich mit der Geschwindigkeit v1. Diese Schicht wirkt wiederum auf die darunterliegende Schicht und bewegt sie mit der Geschwindigkeit v2.

Im Experiment lässt sich zeigen, dass die Kraft F, die nötig ist, um Platte 2 zu bewegen, proportional zu ihrer Fläche A, ihrer Geschwindigkeit v und antiproportional zu dem Abstand der Platten x ist:

F \sim A und F \sim v und F \sim \frac{1}{x}.

Hieraus ergibt sich

F\sim\frac{Av}{x}

und als Gleichung

F= \eta\frac{Av}{x}.

Die Proportionalitätskonstante η ist die dynamische Viskosität. Häufig wird sie auch nur als Viskosität bezeichnet. Ein Stoff hat also die Viskosität 1 Ns/m², wenn bei einer Größe der Platten von 1 m² und einem Plattenabstand von 1 m eine Kraft von 1 N benötigt wird, um die Platten mit einer Geschwindigkeit von 1 m/s gegeneinander zu verschieben.

Für die physikalische Einheit gilt: 1{\rm N}=[\eta] \cdot\left(\frac{{\rm m}^2\,{\rm m}}{{\rm m}\,{\rm s}}\right) \Rightarrow [\eta] = \frac{{\rm N}\,{\rm s}}{{\rm m}^2}.

Ist η unabhängig von der Geschwindigkeit v, so wird die Flüssigkeit als Newtonsche Flüssigkeit bezeichnet. Für diese Flüssigkeiten stellt sich das in Abbildung 2 gezeigte, lineare Geschwindigkeitsprofil ein. Ist η von v abhängig, so bezeichnet man die Flüssigkeit als nicht-newtonsch.

    Newtonsche Flüssigkeiten

Im Folgenden wird der vereinfachte Zusammenhang gemäß dem newtonschen Viskositätsgesetz dargestellt, es wird dabei stets laminare Strömung sowie Temperatur- und Druckunabhängigkeit der Flüssigkeitseigenschaften angenommen. Außerdem unterstellte Newton eine lineare Abhängigkeit des oben erläuterten Geschwindigkeitsgradienten, der auch Schergeschwindigkeit \dot\gamma (manchmal auch mit D oder G bezeichnet) genannt wird:

\dot\gamma = \frac{\mathrm dv}{\mathrm dy}
Schubspannungs-Schergeschwindigkeits-Diagramm:

1: dilatantes Fluid
2: Newtonsche Fluid
3: Scherverdünnendes (pseudoplastisches) Fluid
4: Bingham-plastisches Fluid
5: Casson-plastisches Fluid


Viskosität verschiedener Flüssigkeiten in Abhängigkeit von der Temperatur



Viskosität verschiedener Gase bei Normaldruck


Viskosität von Stickstoff in Abhängigkeit vom Druck für verschiedene Temperaturen



Viskosität von Stickstoff in Abhängigkeit von der Temperatur für verschiedene Drücke

Verknüpft man dies mit der Schubspannung τ, erhält man folgenden Zusammenhang für die dynamische Viskosität:

\tau=\eta \cdot \frac{\mathrm dv}{\mathrm dy} \Rightarrow \eta = \frac{\tau}{\dot\gamma}

Die Schubspannung τ ergibt sich aus der die Strömung bewirkenden Kraft bezogen auf die betroffene Angriffsfläche, die sich mit maximaler Geschwindigkeit bewegt. η wird bei newtonschen Flüssigkeiten als Konstante angesehen. Darüber hinaus wird das Verhältnis zwischen der dynamischen Viskosität η und der Dichte ρ definiert als kinematische Viskosität.

kinematische Viskosität:    \nu = \frac{\eta}{\rho}          dynamische Viskosität:    \eta = \nu \cdot \rho

    Nicht-Newtonsche Flüssigkeiten 

Viele Substanzen folgen diesem Gesetz jedoch nicht, sondern zeigen ein zeit- oder schergeschwindigkeitsabhängiges Verhalten. Dabei unterscheidet man verschiedene Arten der Abweichung:

Derartige Fluide bezeichnet man als nichtnewtonsche Fluide.

Im allgemeinen Fall muss das Schergefälle \dot\gamma aus dem Scherwinkel in der Flüssigkeit berechnet werden und nicht über den Geschwindigkeitsgradienten.

    SI-Einheit

Die SI-Einheit der

dynamischen Viskosität: [\eta] = \frac{\rm Ns}{\rm m^2}
kinematischen Viskosität: [\nu] = \frac{\rm m^2}{\rm s}

In der Praxis wird für die dynamische Viskosität neben der Pa·s (Pascalsekunde) außerdem der tausendste Teil der SI-Einheit mPa·s (Millipascalsekunde) für Medien niedriger Viskosität verwendet.

Im CGS-System wird die dynamische Viskosität in Poise (P) gemessen, wobei 1 Ns/m2 = 1 Pa·s = 10 Poise und 1000 Centipoise = 1000 cP = 1 kg/ms, und die kinematische Viskosität in Stokes (St), 1 St = 10−4 m2/s.

Reynolds-Zahl

Die Reynolds-Zahl (Formelzeichen: Re) ist eine nach dem Physiker Osborne Reynolds benannte dimensionslose Kennzahl. Sie wird in der Strömungslehre verwendet und stellt das Verhältnis von Trägheits- zu Zähigkeitskräften dar (bzw. das Verhältnis von spezifischer Impulskonvektion zu Impulsdiffusion im System). Daraus ergibt sich, dass das Turbulenzverhalten geometrisch ähnlicher Körper bei gleicher Reynoldszahl identisch ist. Diese Eigenschaft erlaubt z.B. realitätsnahe Modellversuche im Windkanal oder Wasserkanal.

\mathit{Re} = \frac{\varrho \cdot v \cdot d}{\eta} = \frac{v \cdot d}{\nu}     mit  \eta = \nu \cdot  \varrho

Die einzelnen Formelzeichen stehen für folgende Größen:

Die charakteristische Länge, auch Bezugslänge genannt, kann prinzipiell frei gewählt werden. Beim Vergleich zweier Strömungen muss diese Länge jedoch gleicher Art sein. Bei Strömungskörpern wird als Bezugslänge üblicherweise die Länge des Körpers in Strömungsrichtung gewählt. Bei Widerstandskörpern ist die Breite oder Höhe quer zur Strömungsrichtung üblich. Bei Rohrströmungen Radius oder Durchmesser des Rohres, bei Gerinnen die Tiefe oder die Breite an der Gerinne-Oberfläche.


Kontinuitätsgleichung

eine mathematische Gleichung, die bei Strömungsvorgängen die Erhaltung einer physikalischen Größe (z. B. Flüssigkeitsmenge, elektrische Ladung) zum Ausdruck bringt. Die Dichte dieser Größe in einem Raumgebiet kann sich nur dadurch ändern, dass etwas aus dem Gebiet heraus- oder in es hineinfließt.

Kontinuitätsgleichung:

Die Kontinuitätsgleichung drückt die Erhaltung der Materie aus. Die zeitliche Änderung der Wahrscheinlichkeitsdichte  wird durch die Wahrscheinlichkeitsstromdichte j erzeugt

Kontinuitätsgleichung (für Formel nicht kompressibles Medium) :
Formel
Formel
Ursache der Geschwindigkeitsänderung ist eine Druckdifferenz Formel


Kontinuitätsgleichung

Wir betrachten die Strömung durch ein verengtes Rohr.

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Abbildung1: Skizze zur Kontinuitätsgleichung. Da die Flüssigkeit nicht komprimiert werden kann, muß das pro Zeiteinheit in beiden Teilen des Rohres fließende Volumen gleich sein.

Das pro Zeiteinheit fließende Volumen ist

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Da keine Teilchen verloren gehen können und wir von Kompression absehen, müssen beide Volumina gleich sein und es ergibt sich die sog. Kontinuitätsgleichung:

equation1150

Die Gleichung hat wichtige Konsequenzen.

 

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Abbildung2: Skizze zur Kontinuität im Blutkreislauf

Wird die Kontinuitätsgleichung auf den menschlichen Blutkreislauf angewandt, so wird die geringe Fließgeschwindigkeit in den Kapillaren verständlich, ohne die lebensnotwendige Difusionsvorgänge nicht in ausreichendem Maße stattfinden könnten.

Der Durchmesser der Aorta beträgt ungefähr 2,3cm . Ihre Querschnittsfläche beträgt dann 4 cm2.

Geht man davon aus , daß in einer Minute ungefähr 5 Liter Blut durch die Aorta strömen, so ergibt sich aus obiger Gleichung (3.10) eine mittlere Strömungsgeschwindigkeit von 20,8 cm · s-1. Geht man von einer Gesamtquerschnittsfläche der Kapillaren von 4800 cm2 aus, so erhält man rechnerisch mit (3.10) eine mittlere Strömungsgeschwindigeit von 0,017 cm ·s-1.

Eingesetzt in

equation1150

erhält man:      4 cm2 ·20,8 cm·s-1         =  83,2cm3·s-1

                             4800cm2 ·0,017 cm·s-1   =  83,2cm3·s-1